Lichti und Astroh – Avantgarde oder Klassik?

Denkt der Weintrinker an die Pfalz, kommt ihm automatisch die Mittelhaardt in den Sinn. Die klassischen Riesling-Lagen in Wachenheim, Forst, Deidesheim, Ruppertsberg und Gimmeldingen sind weltberühmt. Aber sie sind auch in der festen Hand der traditionellen Weingüter und selbst wenn sie es nicht wären, wäre der Hektar unbezahlbar. Das ist einer der Gründe, dass sich die Avantgarde der Pfälzer Winzer heute oft woanders ansiedelt. Geht man nur ein Stückchen weiter nach Norden, nach Leistadt, sind an den Begrenzungspfählen der Weinberge plötzlich nicht mehr die großen Namen zu finden, sondern all die „jungen Wilden“ von den Weinkarten der Gourmet-Restaurants in Berlin.

Die Weinberge in Leistadt sind kühler als die klassischen Lagen. Sie liegen höher und ihre Ausrichtung ist weniger uniform, die Weinberge liegen hier auf den Hügelkuppen und in Tälern, nicht an einem langgestreckten Hang. Unter den vielen Namen an den Weinbergen sind auch Lichti & Astroh mit ihrem kleinen Zettelchen, auf dem nur das charakteristische Bild von einem Sternenhimmel, der Weingutsname und ein QR-Code zu finden sind.

Dahinter verbirgt sich das Paar Freya Lichti und Alex Strohschneider, die sich während ihrer Arbeit bei Bürklin-Wolf kennengelernt haben und seit 2018 eigene Weine machen. Zunächst war Lichti & Astroh als Marke im Portfolio des Weinguts von Freyas Eltern, dem Weingut Lichti in Laumersheim, später gründete das Paar ein eigenes Weingut mit eigenen Flächen. Das alles erzählt Freya Lichti, während wir im Van mit Hund Kuno im Gepäckraum vom Weingut in Herxheim in die Weinberge fahren. Plötzlich unterbricht die Winzerin ihre Erzählung, als sie in einen schmalen Weg einbiegt: „Das ist das Berntal!“ Der Weg führt tief in ein Tal, das beiderseits bewuchert ist, ein Naturschutzgebiet, wie Freya Lichti erklärt. Auf der rechten Seite geht es steil bergauf, obenauf bildet die Hügelkuppe den Kalkofen (nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Lage in Deidesheim), auf der anderen Seite geht es nur marginal sachter aufwärts. Oben liegt das Herzfeld und dazwischen, mitten im Naturschutzgebiet, das Leistadter Kirchenstück. Wir biegen vom Weg ab und holpern über einen Feldweg. Ein Stück abseits, einsam an einem überwucherten Hang, der aus aufgelassenen, steilen Weinbergen besteht, findet sich ein einzelner, letzter Weingarten mit Riesling. Man muss hier von Weingarten sprechen, denn die Bewirtschaftung dieser uralten Pflanzung ist wirklich ein Liebhaberprojekt.

Es geht einen engen Pfad hinauf auf die Terrasse, wo der Weinberg mit einer ordentlichen Steigung bis zur nächsten Trockenmauer ragt. Die Stöcke stehen bis nah an die obere Mauer. „Hier geht nur Handarbeit“, sagt Freya Lichti und Alex Strohschneider nickt dazu. Überhaupt übernimmt sie den Großteil des Gesprächs. Alex spricht eher, wenn er direkt gefragt wird, und lässt dann sein tiefes Fachwissen glänzen. Diese alten Reben sind ein wunderbarer Schatz und ein echter Vorzug einer Gegend ohne Flurbereinigung. Schließlich wurden hier nicht in den 70er und 80er Jahren weite Teile der Parzellen getauscht, neu bestockt und vereinheitlicht. Der Nachteil liegt auf der Hand, wenn man in dem kleinen Weinberg im Kirchenstück steht: „Hier bekommen wir kein ganzes Fass heraus.“ Freya Lichti und Alex Strohschneider arbeiten daran, weitere Flächen hinzuzupachten, damit sich das irgendwann ändert, aber noch steht ihr kleines Weingut am Anfang. Doch das scheint beide nicht zu schrecken. Ganz im Gegenteil, man spürt eher Aufbruchsstimmung, wenn man mit ihnen spricht.

Lichti und Astroh

„2022 sind wir in den Verband Ecovin eingetreten. Die Bio-Zertifizierung unserer Flächen hier in Leistadt läuft langsam an.“ Ein Hektar Wein steht auch noch in Laumersheim, der ist von Freya Lichtis Eltern gepachtet und bereits frisch zertifiziert. Dennoch sehen beide das Verfahren eher als längerfristigen Prozess. Wie sollte es auch anders sein, haben sie doch noch nicht einmal einen eigenen Keller, um darin die Weine zu machen. Bereits im Gespräch vorab meinte meine Gesprächspartnerin, dass wir besser keine Fotos im Keller machen, weil das Weingut wieder umziehen müsse. „Wir haben aber schon einen anderen Keller hier im Ort in Aussicht!“ Sie ist so zuversichtlich und fröhlich, man meint, die beiden könnten alles schaffen. Vorgenommen haben sie sich auf jeden Fall so einiges. Auf den neun Hektar, über die sie in Leistadt verfügen, stehen zum Teil Rebsorten, mit denen sie nichts anfangen können. „Wir wollen am liebsten nur mit den allerbesten Sorten arbeiten, die erwiesenermaßen höchste Qualität bringen“, sagt Alex Strohschneider. Welche das sind, kommt darauf an, wo die Weinberge liegen. In Leistadt sieht er Riesling und Burgunder-Sorten, vor allem die weißen, in den wärmeren Lagen von Laumersheim mehr Rotwein. „Da geht auch eine Bordeaux-Cuvée ganz hervorragend!“ Das ist allerdings noch Zukunftsmusik. Das Winzerpaar ist (im Moment noch) dazu gezwungen, sich ständig neu zu erfinden. Trotzdem wundere ich mich über die eher klassischen Ideale der beiden. Urteilt man vor allem nach den Etiketten, erwartet man vielleicht eher funky Freak-Stoff. Dabei sind die Weine dann doch gar nicht so weit weg von den Konventionen. „Naja, immerhin sind wir beide durch die Arbeit bei Bürklin-Wolf geprägt“, meint Freya Lichti. Und dort entsteht trotz Biodynamie auch kein Freak-Stoff. Die Etiketten schließlich gefallen ihnen einfach so, wie sie sind. Es muss ja auch nicht auf jeder Flasche ein Wappen sein, vor allem dann nicht, wenn das Weingut selbst noch so jung ist. Und der Sternenhimmel erlaubt viele Assoziationen, vom Träumen über den Einfluss der Gestirne auf den Wein bis hin zum Aufbruch in unendliche Weiten.

Fotos im Keller machen wir doch noch, schon allein, weil Alex Strohschneider hier auflebt, wenn er mit dem Weindieb (das ist die große Pipette) zwischen den Fässern hindurchläuft und für uns Proben des neuen Jahrgangs entnimmt. Seine Partnerin ist begeistert: „Das ist auch für mich das erste Mal, dass ich die Sachen probieren darf.“ Ich bin froh, dass ich dafür der Auslöser sein durfte. Aber noch mehr, weil einige der Weine schon als Fassprobe, also noch ziemlich ungeschliffen, zeigen, wie groß sie werden könnten. Da sind Weißburgunder und Chardonnays von grandioser Frische und Klarheit, Weine, wie Alex sie sich vorgenommen hat zu machen, voller Terroir und Kühle. Aber der Winzer weiß die Begeisterung zu dämpfen. „Bloß schade, dass wir die Lagen nicht auf die Weine schreiben dürfen“, sagt er. „Wir bringen die unfiltriert auf die Flasche und die geringste Trübung fällt bei der Weinprüfung durch. Bei den Roten ist es egal, deswegen sind da auch die Lagennamen mit drauf, aber die Weißweine müssen wir gewissermaßen verstecken.“ Auf den Etiketten steht daher bei den Weißweinen zu jeder Lage nur der entsprechende Anfangsbuchstabe. So ist es mit Überzeugungstätern: Wenn man an seinen Weg glaubt, dann geht man ihn, auch wenn Widerstände auftauchen.

 

ZU DEN WEINEN

 

Bei unserem Besuch in Bad Dürkheim haben wir auch einen Film gedreht. Schauen Sie rein und lernen Sie das Winzerpaar persönlich kennen!

UNSERE EMPFEHLUNGEN

2020

Weissburgunder K
Icon-Set_60K_KWK_190711

Inhalt: 0.75 l (25,33 €/1l) *

19,00 €

2019

Merlot Laumersheimer Kirschgarten
Icon-Set_60K_KWK_190711

Inhalt: 0.75 l (25,33 €/1l) *

19,00 €