Heger - Gefühl und Können

Am südwestlichen Ende des Kaiserstuhls liegt der Ihringer Winklerberg mit seinen Terrassen. Eine der größeren davon, man könnte sie fast ein Plateau nennen, ist das Erste, was mir Rebecca und Joachim Heger zeigen wollen. In der Mitte der Reben steht ein kleines Häuschen, das dem Wein seinen Namen gibt: Hier wächst der „Häusleboden Spätburgunder“, das Herzstück der Weine der Familie Heger, so nennt es Joachim. Der Blick geht weit über das ganze Rheintal, man fühlt sich, als wäre man in einer Festung und habe hier einen Schatz zu verteidigen.

Dieser Schatz, das ist klar, sind die ältesten Spätburgunder-Reben des Winklerbergs. Vor über 60 Jahren, wurden sie von Rebecca Hegers Großvater eingepflanzt. Außerdem handelt es sich nicht um irgendwelche Rebstöcke, nein, diese hier sind von edelstem, burgundischem Geblüt, sie entstammen nämlich aus einer Selection Massale aus dem Clos Vougeot.

All das berichtet mir Joachim Heger direkt beim Aussteigen aus dem Wagen. Seine Tochter Rebecca, die seit dem Jahrgang 2020 die Weine macht, ist sogleich zu den Rebstöcken gegangen, wo sie, während der Papa das Reden übernimmt, andächtig über die Blätter streicht. Am Vortag war ich mit Friedrich Keller unterwegs, auch er war gleich mit den Händen an den Reben, aber zupackend und energisch, während Rebecca ganz anders mit ihren Reben umgeht. Sie wirkt einen Augenblick lang abwesend, in Zwiesprache mit den Pflanzen, bevor sie sich wieder zu Joachim Heger und mir umdreht. Die Voraussetzungen hier am Rand des Kaiserstuhls sind besonders, es gibt nicht nur einen Feigenbaum, der sich in der Terrassenmauer festklammert, sondern sogar wild wachsende Kakteen. „Wo die herkommen, weiß kein Mensch, aber sie

Im Weinberg hat sich durch den Generationswechsel aber nichts geändert, die Hegers arbeiten schonend, die besten Lagen werden mit dem Kaltblutpferd Willi bewirtschaftet und Pflanzenschutzmittel nur so sparsam es nur irgendwie geht ausgebracht. Auch weil viele der Terrassenlagen in der Hinsicht besonders kompliziert sind, nutzen Rebecca und Joachim Heger neueste Technologien: „Schade, das Drohnenteam ist schon weg“, heißt es, als wir aus einem kleinen Wäldchen an einem Nordhang auf den Rappen-ecker schauen (wieder so eine kleine Parzelle in der Lage, eine sogenannte Gewanne). Hier war kurz vorher noch eine Drohne im Einsatz, die aus der Luft gezielt spritzen kann. Das Ganze läuft sogar automatisch, erklärt die Gesprächspartnerin. Die Drohne muss einmal die Beschaffenheit des Weinbergs erlernen und kann dann selbstständig fliegen, wenn auch nicht ohne menschliche Aufsicht. Kurz vor dem Rappenecker sind wir an einem Versuchsweinberg des Staatsweinguts vorbeigefahren, wo Solarpaneele zur Stromerzeugung weit oben über den Reben an langen Pfählen aufgestellt wurden. „Wäre für uns vielleicht auch interessant, wir behalten das hier im Auge“, meint Joachim Heger nachdenklich. Für Neuerungen sind beide Hegers zu haben, wenn sie denn sinnvoll sind.

Heger

In den Rappenecker sind wir vor allem auf Joachim Hegers Wunsch gefahren, weil er seinen „Lieblingsweinberg“ (so Rebecca Heger) zeigen will. Hier stehen die ältesten Muskateller-Reben Badens. 1951 gepflanzt und heute als Erste Lage abgefüllt. „Ein toller Wein für die gehobene Küche“, schwärmt der Winzer und erzählt von einer Blindprobe für Gastronomen, bei der niemand die Rebsorte erkannt habe, dafür aber sein gesamter Jahrgang im Anschluss ausverkauft war. Rebecca Heger schmunzelt. „Wenn es nach mir ginge, bräuchten wir nicht so viele Rebsorten“, meint sie, „ich würde mich da etwas mehr konzentrieren.“ Das ist einer der seltenen Momente, wo beide mal grundlegend anders denken. Aber die Argumente scheinen seit einiger Zeit ausgetauscht, ich habe den Eindruck, dass die beiden als Team gut funktionieren, selbst wenn sie mal nicht einer Meinung sind.

Später, als wir zurück im Weingut sind, geht das Gespräch Hand in Hand, Vater und Tochter sind sich weitgehend einig und Joachim Heger steht auch hinter dem, was seine Tochter erneuert hat. Die Basisweine haben ihren eigenen Stil, der auch wiedererkennbar bleiben soll, da wird sich nichts ändern. Aber bei den Lagenweinen ist Rebecca Hegers Handschrift klar erkennbar, wie ihr Vater auch gleich stolz mit ein paar Vergleichsproben demonstriert. „Ich habe immer ein wenig mehr auf das Holz gesetzt, ihre Weine sind etwas filigraner“, sagt er dazu. Rebecca Heger will sich aber nicht auf ein Geschmacksprofil festlegen lassen, zumindest noch nicht. Die Stilistik sei ein Ergebnis von unendlich vielen Entscheidungen, die sowohl im Weinberg als auch im Keller getroffen werden. Und Rebecca folgt in der Beziehung einfach ihrer Intuition. „Das ist mehr ein Gefühl. Und wenn die Weine dann abgefüllt werden, habe ich sogar manchmal Zweifel: ‚Was, wenn das jetzt nur mir allein gefällt?‘“ Diese Momente des Zweifels seien aber immer nur sehr kurz. Denn eigentlich vertraut sie ihren Entscheidungen und: „Wenn man zu 100 Prozent an etwas glaubt, dann ist das auch gut so.“

Kann man nur aus einem Gefühl heraus Spitzenweine machen? Was ist denn mit der Ausbildung bei Salwey und Meyer-Näkel? Ist das „Gefühl“ nicht ein bisschen tiefgestapelt? „Nein“, meint sie grinsend, „was ich mache, hat im Detail schon viel mit Intuition zu tun.“ Auch wenn sie ihr Handwerk gelernt und schon früh anhand großer Vorbilder aus dem Burgund den Gaumen geschult hat, Weinkunde ist keine exakte Wissenschaft. Sie muss mit den vielen Unwägbarkeiten des Winzerinnenlebens umgehen, zum Beispiel den klimatischen Veränderungen, aber auch den jeweils besonderen Bedingungen jeder einzelnen Lage. „Im Vergleich zum Burgund haben wir vollkommen andere Böden mit dem Vulkangestein mit Kalkeinschlüssen. Deswegen kommt hier immer ein Kaiserstühler Wein heraus, selbst wenn die Klone aus dem Clos Vougeot stammen.“ Sie sieht, so formuliert sie es selbst, den Spätburgunder als Aufgabe – ohne Plagiat die Identität herausarbeiten. Joachim wirft handfest ein: „Wir wollen einfach einen super Winklerberg, einen super Häusleboden machen, das ist es doch.“ Wenn das so einfach wäre – und gerade beim Burgunder gilt: Was ist eigentlich super und was nicht?

Da haben wir auch schon ein paar Schlucke im Glas und es ist bei jedem Wein klar erkennbar, welcher vom Vater und welcher von der Tochter ist. Rebeccas Weine sind duftiger, trauen sich mehr Frucht zu, verstecken sich nicht im Holz, sondern scheinen klarer, heller zu sein, während Joachims Weine etwas kräftiger, bemuskelter und erdiger wirken. Es ist wahnsinnig spannend, beides nebeneinander zu probieren. Und weil die Entscheidung, welcher Stil die Nase vorn hat, wohl vor allem vom persönlichen Geschmack abhängt, ist offensichtlich, dass Rebecca die Weine weit bringen kann. Selbstbewusst genug dafür ist sie auf jeden Fall. Als ich frage, welche Ziele sie hat, sagt sie, dass sie das Weingut qualitativ an die absolute Spitze führen will. Wenn man sich dazu einmal ihren Häusleboden auf der Zunge zergehen lässt mit seiner frischen Frucht, seinen vielfältigen floralen Nuancen und doch so viel köstlich gezügelter Kraft, dann muss man sagen, dass der Weg gar nicht mehr so weit ist.

 

ZU DEN WEINEN

 

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