Kürbis, Kitsch und die verdammten Trüffelschweine

Buntes Laub, Kastanien im Ofen, Morgennebel über dem Rhein – der Herbst ist die mit Abstand kitschigste Jahreszeit. Und das ist gut so. Die Sommer werden dank Klimawandel ohnehin immer länger, die Winter kürzer und dem Herbst droht dazwischen der lautlose Untergang. Dabei gibt es nichts Schöneres als sich am Abend dieses leise Frösteln über den Rücken laufen zu lassen, wenn die Sonne wieder schwächer wird und der Appetit größer. Es zieht uns wieder mehr an den Herd als in den Garten, wir spielen – noch etwas unschlüssig - mit den Streichhölzern am Kamin oder träumen von einem völlig verrückten Chutney-Rezept, das wir sogleich Wirklichkeit werden lassen.

Ein Gläschen von unserem Lieblingswein dazu, klar, ein 18er Château Roylland, ein 20er Morellino di Scansano Riserva oder vielleicht vorweg auch ein 20er Erdener Pinot Blanc (Links zu diesen und weitere Empfehlungen finden Sie am Schluss dieses Beitrags), und dann kann es losgehen mit unserem eigenen Erntedankfest, das wir aus dem Einkaufskorb fischen, mit dem wir gerade über den Wochenmarkt gezogen sind: Kürbis, Ingwer, Maronen, Rosmarin, Steinpilze und sogar Trüffeln haben wir ergattert. Und während uns der Klimawandel da draußen im Unklaren darüber lässt, ob der Oktober friedlich und golden wird oder ob im nächsten Moment Herbststurm und Starkregen die letzte Ernte verhageln, igeln wir uns in unsere wohlige Herbststimmung ein und kommen nach einem stressigen Jahr endlich dort an, wo wir hingehören. Bei uns selbst.

Dabei fällt uns ein altes italienisches Sprichwort ein: „Man soll die Trüffeln nicht den Schweinen überlassen!“ Nein, auf keinen Fall, und deshalb träumen wir uns sogleich nach Alba. Dort im Piemont finden sich die besten und begehrtesten der unterirdisch wachsenden Edelpilze – die weißen Trüffeln. Sie haben der Region zwischen Turin und Genua zu einer speziellen Art von Tourismus verholfen: Ganze Heerscharen von Feinschmeckern finden sich hier von Anfang Oktober bis zum ersten Schneefall zur alljährlichen Trüffelmesse ein. Auf Trüffelfesten, Sammlerauktionen und natürlich in den zahllosen Gourmetküchen der Region zelebriert man die heiligen Trophäen aus dem Wurzelreich - die, deren Namen „kein Feinschmecker jemals ausgesprochen hat, ohne die Hand an den Hut zu führen“, wie schon Alexandre Dumas bemerkt hat.

Alba oder Périgord? Trüffeln sind etwas für Schwarz-Weiß-Denker

Kapellenberg

Um die 150 Trüffelpilzarten gibt es weltweit. Doch nicht alle, nur die Speisepilze unter ihnen, sind auch essbar. Und auch längst nicht alle lassen Kennerherzen höherschlagen. Zu den besten der Welt gehören neben den weißen Piemont-Trüffeln auch die schwarzen Trüffeln aus dem französischen Périgord, die ab November bis in den März hinein aufgespürt werden. Auch diese Sorte verfügt über eine vortreffliche Qualität.

Schon kleinste Mengen reichen aus, um aus jedem einfachen Gericht einen Hochgenuss zu zaubern. Das ist nur gut so, denn die Luxuspilze haben ihren Preis: Bis zu 9000 Euro kann ein einziges Kilogramm weiße Trüffeln kosten. Bei einer Trüffelauktion in Alba soll ein Käufer aus Hongkong vor einigen Jahren sogar einmal schwindelerregende 143 000 Euro für 750 Gramm geboten haben. Dabei unterscheiden sich schwarze und weiße Trüffeln nicht nur im Preis: Die weißen haben einen intensiveren, knoblauchähnlichen Geruch, der allerdings beim Kochen schnell verfliegt. Sie werden deshalb meist frisch über ein Gericht gehobelt. Schwarze Trüffeln riechen weniger, können jedoch mitgekocht werden, ohne an Geschmack zu verlieren.

Trüffeln finden sich fast überall auf der Welt. In Kroatien und Südafrika ebenso wie in Neuseeland. Sie wachsen unter der Erde dicht an den Wurzeln eines Baumes, mit dem sie unterirdisch eine symbiotische Verbindung eingehen: Die Trüffeln versorgen die Wurzeln mit Mineralsalzen. Im Gegenzug erhalten sie von den Bäumen wichtige fotosynthetische Anteile, die sie als „Undergroundpflanze“ nicht selbstständig bilden können. Wirtspflanze können Eichen, Kastanienbäume, Buchen, aber auch jedes einfache Gehölz sein. Trüffeln fühlen sich dort besonders wohl, wo die Licht- und Luftzufuhr optimal sind und der pH-Wert des Bodens im alkalischen Bereich liegt.

Trüffelsuche: Schwein, Hund oder Känguru?

Schließlich gibt es noch eine ganz andere, aber keineswegs unbedeutende Voraussetzung für die natürliche Verbreitung von Trüffeln: Wildschweine. Diesem allesfressenden Borstenvieh ist es zu verdanken, dass es jedes Jahr neue Trüffeln gibt. Wieso ausgerechnet Wildschweine? Die Antwort ist simpel: Da die Trüffelknollen keine oberirdischen Fruchtkörper bilden, können normalerweise keine Sporen nach draußen gelangen und sich vermehren. Wildschweine scheiden diese für sie schwer verdaulichen Sporen nach jedem Trüffelmahl wieder aus. Auf diese Weise sorgen die stacheligen Zeitgenossen nicht nur für die Düngung des Trüffelgebietes. Sie ermöglichen überhaupt erst die Vermehrung der Trüffeln. Auf bestimmten Breitengraden und Kontinenten übernehmen andere Tiere diese Aufgabe – in Afrika zum Beispiel Gürteltiere, in Australien erledigen Kängurus diesen Job.

Während Wildschweine sich also in aller Ruhe an den teuren Pilzen gütlich tun, kommen dressierte Hausschweine für die Trüffelsuche allmählich aus der Mode: Professionelle Edelpilzsammler lassen das Objekt ihrer Begierde stattdessen lieber von einem darauf trainierten Trüffelhund suchen. Denn Hunde überlassen die im Erdreich erschnüffelten Schätze bereitwillig ihren Herrchen. Was vor allem weiblichen Trüffelschweinen noch lange nicht automatisch einfällt. Der Grund: Der Geruch der Trüffeln enthält Anteile der sexuellen Duftmarke des Ebers. Womit zugleich geklärt wäre, warum Trüffeln gelegentlich „sexy“ machen sollen. Nur: Der Trüffeljagd selbst ist diese tiefenerotische Ausstrahlung nicht gerade förderlich. Die Suche sollte schließlich zu Ende sein, wenn der Schatz gehoben ist. In Italien ist der Einsatz von Trüffelschweinen deshalb mittlerweile sogar verboten. Zu viele Trüffeln landeten im Bauch der Schnüffeltiere. Nun trifft man dafür in den Wäldern immer öfter auf den kleinen, freundlichen Lagotto Romagnolo. Dieser wachsame Trüffelhund stammt aus den italienischen Sümpfen und will – trotz seiner äußerlichen Ähnlichkeit – nicht mit einem Pudel verwechselt werden.

Anderswo auf der Welt geht es beim Aufspüren der Trüffelnester oft noch skurriler zu. So werden Trüffelvorkommen in manchen Gegenden Frankreichs und Englands an über den Nestern kreisenden Fliegen erkannt, die ihre Eier gern in der Nähe der Trüffeln ablegen. In Russland sollen Trüffeln in früherer Zeit sogar mithilfe von Bären gesucht worden sein. Und in Sardinien sind es bis heute die Ziegen, die sich bestens auf die Trüffelsuche verstehen.

Auch wenn die Suchmethoden verschieden sind, die Lust an Trüffeln war zu allen Zeiten unbegrenzt: Schon der ägyptische Pharao Cheops soll 3000 Jahre vor Christus ein großer Trüffelfreund gewesen sein. Bei den Griechen und Römern der Antike galten Trüffeln als Aphrodisiakum. Griechische Ärzte verordneten den feinen Pilz gegen Impotenz. Im Mittelalter dagegen waren Trüffeln verpönt. Sie wurden mit dämonischen Kräften und der Sünde schlechthin in Verbindung gebracht - wohl wegen ihres unterirdischen Wuchses und der ihnen nachgesagten erotisierenden Wirkung.

Alexandre Dumas: „Iss mich und bete Gott an!“

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Doch schon in der Renaissance lebte die ursprüngliche Begeisterung für das unterirdische Knollengewächs wieder auf. Selbst die Kirche entdeckte nun ihren Gefallen an den köstlichen Pilzen und auch Päpste ließen sich Trüffeln zum Geschenk machen. Die Hochzeit der Trüffeln begann schließlich im 18.Jahrhundert in Frankreich. Damals gab es zwischen Paris und Marseille viele verschiedene und hochwertige Trüffelsorten, die es mit den weißen Trüffeln aus Piemont leicht aufnehmen konnten. Seit dem Jahr 1770 blüht der französische Trüffelhandel. Die zahllosen Trüffelrezepte aus dieser Zeit dokumentieren den großzügigen Konsum der edlen Knolle – Folge des vielfältigen und reichhaltigen Angebots.

Konkurrenz kommt mittlerweile auch aus Deutschland: Nahe Freiburg etwa werden neuerdings spezielle „Trüffelbäume“ gezüchtet, die den Edelpilz auch bei uns zu mehr Verbreitung verhelfen sollen. Und an der Freiburger Universität beschäftigen sich Wissenschaftler mit der Frage, was es mit Trüffeln eigentlich wirklich auf sich hat. Doch niemand, der vor einer feinen Trüffel-Püree-Suppe, getrüffelten Wachteleiern oder einem Filetsteak mit zart gehobelten Trüffel-Spänen sitzt, macht sich ernsthaft Gedanken über die Moleküle, die darin stecken. Warum also ist die halbe Menschheit so wild auf Trüffeln? Die Antwort könnte ganz einfach sein. Denn wie bemerkte schon Alexandre Dumas treffend über die wahre Seele der Trüffeln: „Iss mich und bete Gott an!“ Willkommen im Club der Trüffelanbeter! Und nun, mit Verlaub, hören wir auf, immer nur darüber zu reden. Sonst kommen die verdammten Schweine zurück und fressen uns die schönen Trüffeln weg. uh

Kapellenberg

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