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Weedenborn - Fokus für die Vision des Vaters

“Meine Eltern haben nie Druck ausgeübt. Im Nachhinein muss ich sie dafür bewundern”, sagt Gesine Roll. Aber der Erfolg hat den Eltern Recht gegeben, sind doch beide Kinder zu Winzern geworden. Sie ist 2008 in das elterliche Weingut Weedenborn eingestiegen, ihr Bruder hat sein eigenes Gut gegründet. Gesine ist die neunte Generation, wobei es, wie früher üblich, ein ganz normaler Mischbetrieb war, wo Wein nur ein Produkt von vielen war, bevor Gesines Vater, Udo Mattern, komplett auf Weinbau umstellte.

Das Weingut Weedenborn liegt erhaben, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: etwas höher. Man kann von hier aus auf Westhofen hinabschauen und wenn man sich den Hang herunterrollen lassen würde, käme man durch Lagen wie Aulerde, Kirchspiel oder Steingrube. Vielleicht ist es dieser erhöhten Lage geschuldet, dass Gesine gern auch mit ihrem Wein nach Höherem strebt. Sie war noch nicht lang im Weingut, als die Aufmerksamkeit immer größer wurde und ihr 2012 sogar der Preis für den besten Sauvignon Blanc Deutschlands vom Feinschmecker- Magazin verliehen wurde. “Dafür muss ich aber auch meinem Vater danken. Er war Visionär genug, hier Sauvignon Blanc in gute Lagen zu setzen, bevor die Sorte überhaupt in Deutschland zugelassen war.” Oder, wenn man so den Blick über den Hügel schweifen lässt, sollte man Udo Mattern hier wohl besser als weitsichtig bezeichnen.

Aber wie war es konkret, als sie eingesteigen ist? “Ich versuche immer, das am Bild einer Wippe zu erklären. Die ist im Lauf der Jahre immer weiter von meinem Vater zu mir gekippt”, Gesine schaut versonnen in die Ferne, “ich könnte gar nicht sagen, wann der Augenblick war, dass ich das Weingut so wirklich übernommen habe. War das vor drei Jahren oder vor fünf?” Das klingt erstaunlich entspannt, finde ich, also hake ich noch einmal nach: “Und in der ganzen Zeit habt ihr einträchtig nebeneinander her gearbeitet?” Gesine lacht: “Nicht jeden Tag. Aber Konflikte können ja total bereichern und ich finde, man darf sich da ruhig aneinander reiben. Reibung erzeugt auch Wärme.” Ich versuche kurz, in meiner Vorstellung die Wippe und die Reibungshitze zusammen zu bringen, stelle aber fest, das führt zu nichts. Lieber konzentriere ich mich auf den Wein. Gab es eigentlich je Zweifel daran, Winzerin zu werden? “So mit 15 oder 16 hatte ich eine Phase, wo das mit Architektur und Design schon auch eine starke Idee war.” Aber letzten Endes war das Winzer-Blut stärker? “Das war doch relativ schnell klar.”

Wir fahren um Monzernheim herum, wo das Weingut liegt, und werden uns noch einige Weinberge anschauen. Der Umgang mit den Pflanzen ist verantwortlich für den tollen Stil des Weinguts. Gesine betont, wie genau man arbeiten muss, wenn man Sauvignon Blanc auf Top-Niveau machen möchte. Dabei geht es, so erläutert sie, vor allem darum, den Lesezeitpunkt so auszusuchen, dass die Trauben optimal reif sind, wenn sie in den Keller kommen. “Bei Riesling ist das schon kitzlig, aber bei Sauvignon eine riesige Herausforderung. Da ist das perfekte Zeitfenster nach 24 bis 48 Stunden wieder zu.” Das heißt also, dass sie in der heißen Phase der Ernte jeden Tag raus muss und über diese Straßen fährt? Klare Antwort: “Ja!“ Sie beschreibt mir der genauen Ablauf, der nicht nur darin besteht, wie man es sich vielleicht von einer französischen Komödie im Winzermilieu vorstellt, dass sie im Morgengrauen durch die Reben geht und mal hier und mal da pflückt, probiert und am Ende sagt: Heureka, wir lesen heute. Zwar ist der Geschmackstest der erste Schritt, aber danach werden hundert Beeren abgezupft, aus unterschiedlichen Teilen des Weinbergs, schließlich ist der nie ganz gleichmäßig reif. Die werden zusammen gepresst und das Ergebnis wird analysiert. Wenn dann die Werte stimmen, kann es losgehen. “Die sind aber nicht laut irgendeinem Lehrbuch, sondern das sind unsere eigenen, festgelegten Regeln. Die Frucht muss reif sein, aber trotzdem noch mit Crisp und Spannung getroffen werden. Das ist nicht leicht, aber es tut gut, nicht mehr mit der Angst des Unwissenden entscheiden zu müssen.”

Weinberge Weedenborn

Diese Erfahrung sei lang erarbeitet, erzählt sie. 2002 gab es die erste Ernte vom Sauvignon Blanc, “aber es gab ja gar keine Beispiele für Sauvignon Blanc aus Deutschland.” Damals musste man sich noch irgendwie behelfen, denn die Familie wusste gar nicht so genau, was sie mit der Rebsorte anfangen sollte. “Heute, mit einigen Jahren Kenntnis der Weinwelt mehr, würde ich einfach einige große Sauvignons bestellen und die querverkosten, klar. Aber damals hatte man das Wissen noch gar nicht.” Richtig gefesselt habe sie die Rebe dann erst im Laufe der Ausbildung, wo bei Bassermann-Jordan und Vergelegen ihre Liebe zu Sauvignon Blanc geweckt wurde. Aber, meint Gesine mit einem Achselzucken, die damalige Unwissenheit habe immerhin dazu geführt, dass Weedenborn heute einen ganz eigenen Stil hat. Den habe ihr Vater angefangen, innovativ wie er ist, aber sie habe das schon deutlich weiter entwickelt. “Mein Vater probiert gern Sachen aus, ich habe dafür mehr Fokus.” Heute ziehe sich ihre Handschrift – “schlanker, eleganter, feiner, nochmal trockener” – durch das ganze Sortiment, das sie auch radikal verkleinert hat. “Weedenborn ist heute Sauvignon Blanc. Man muss sich das auch trauen, Weine zu machen, die Stil und Profil haben, statt dem Markt zu dienen. Das ist heute viel selbstverständlicher geworden. Zeitgeist.” Da muss ich ihr zustimmen. Viele Winzer aus der neuen Generation, mit denen ich geredet habe, haben das Portfolio entschlackt. Neue Besen kehren eben gut.

Obwohl: “Revolution gab es bei uns nicht, das war ein langsamer Entwicklungsprozess über Jahre.” “Wie lief das denn konkret ab, hattet ihr einen wöchentlichen jour fixe zum Abendessen oder so?” “Nee! sowas gibt es bei uns nicht. Wir arbeiten ja eng zusammen, da stimmt man sich währenddessen ab. Wir sprechen mehr zwischen Tür und Angel.” Auf dem Weingut angekommen erklärt sie: “Da wohne ich”, und weist auf die andere Seite des Hofs, “und da meine Eltern”. Ich muss wohl meine Stirn gerunzelt haben, denn sie beeilt sich, hinterher zuschieben: “Wenn man selbstständig und in der Natur zusammenarbeitet, dann ist das sehr intensiv. Da braucht man auch mal einen Rückzugsbereich. Wir haben uns zur Regel gemacht, dass es sich schon so anfühlen soll, als würde man sich gegenseitig besuchen. Wir müssen also mindestens so weit voneinander weg wohnen, dass man eine Jacke braucht, um rüberzugehen.” Gut, unter dieser Maßgabe ist quer über den Hof doch schon wieder ziemlich nah.

Das gehört vielleicht auch zu den Erfahrungen, die man als Familie gemacht hat, wenn man den Generationswechsel schon so oft vollzogen hat. Wie fühlt es sich eigentlich an, wenn man in der neunten Generation das Gut übernimmt? “Das ist schon eine Verpflichtung, die ich da spüre. Aber irgendwie eine gute Pflicht, weil ich das gern annehme.” Sie zögert etwas, mit dem Wort Pflicht ist sie unzufrieden, das hat man ihr schon beim Aussprechen angemerkt. “Ich hatte schon das Bedürfnis, die Tradition zu wahren. Bei aller Verpflichtung ist das auch etwas ganz, ganz Tolles, dass man das darf und kann.” Sie erklärt, wie wichtig es ist, über Generationen und große Zeiträume zu denken, wenn man im Weinbau arbeitet. Gesine muss es wissen, denn sie hat Weinberge, die ihr Großvater angepflanzt hat, und profitiert vor allem davon, dass ihr Vater sich für Sauvignon Blanc im Versuchsanbau entschieden hat.

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