Der Begriff Wein-Ikone wird ja geradezu inflationär gebraucht. Alles, was irgendwann einmal in irgendeiner Zeitung erwähnt worden ist oder bei Herrn Parker mal ordentlich Punkte eingefahren hat, alles, was irgendein Sommelier in einem Top-Restaurant seinen Gästen mal empfohlen hat, wird in Werbeprospekten schnell als Kult-Weingut oder Wein-Ikone bezeichnet.
Dabei hat das Languedoc ein Problem und ein Glück zugleich: Eigentlich hat es keine Wein-Ikonen. Es gibt zwar Weingüter, die ihre Weine zuteilen müssen, aber es gibt eigentlich keine Weingüter, mit denen Weinkenner vor weniger wissenden Weinfreunden mit Bestimmtheit angeben können
Languedoc und Roussillon sind Weinregionen für Eingeweihte mit Weinen für jedermann. Eigentlich eine sensationelle Kombination für alle, die Weine entdecken und nicht Etiketten trinken möchten.
In der Region selber sieht das etwas anders aus. Hier, wo jeder stolz ist auf seine Weine, auf die lokalen Produkte, auf seine Herkunft und auf den Süden, hier gibt es auch Weingüter, deren Namen für alle Languedociens den Klang haben wie ein Romanée-Conti nördlich der Cevennen. „Ah, ihr wart bei Clos Marie ...“, sagte man überall, wo wir noch hinkamen und schaute uns etwas neidisch bewundernd an.
Es ist bezeichnend für das Languedoc, dass wir eigentlich bei keinem „alten“ Weingut waren, keinem, das auf Jahrhunderte Tradition zurückblicken könnte und dessen Weine schon am Hofe einer der vielen Louis auf dem französischen Thron genossen wurden. Christophe Peyrus und Françoise Julien sind, in diesen Dimensionen gedacht, eigentlich Newcomer. Mitte der 90er haben sie die ersten Weine unter dem Namen Clos Marie herausgebracht, anstatt die Trauben bei der örtlichen Genossenschaft abzuliefern. Erstaunlich ist auch, dass sie in den 20 Jahren nicht versucht haben, ihr Weingut, das gerade einmal 20 Hektar hat, zu vergrößern.
Der Ehrgeiz von Christophe und Françoise richtet sich weniger nach außen, sondern nach innen. Ihnen ist die Qualität wichtiger als die Quantität. Sicherlich könnte man auch bei 40 Hektar große Weine machen, aber es geht den beiden darum, individuelle Weine zu erzeugen, ihre Weine, und daher machen sie auch fast alles selber. Das schränkt die Größe von alleine ein. Sie waren auch eines der ersten Weingüter, die den biodynamischen Weinbau in der Region eingeführt haben, alles nur, um dem Wein des Pic St.-Loup mehr Typizität zu verleihen.
Jetzt stehen wir also vor dem unscheinbaren Gebäude mitten in Lauret und klingeln am Gartentor. Es ist fünf nach elf, fünf Minuten zu spät, Noreen ist schon etwas nervös. Es dauert etwas, dann bellt ein Hund, es dauert noch etwas und Françoise kommt heraus, schaut auf die Uhr, „Ah,les Allemands …“, sie schüttelt den Kopf, „ich habe noch gar nicht mit euch gerechnet. Immer so pünktlich, tz, tz, tz.“ Fünf Minuten später sitzen wir schon im kleinen, sehr gemütlichen Verkostungsraum. „Die Leute denken immer, die Weine des Südens wären schwer und fett“, erzählt Françoise lachend, „wir finden, hier am Pic St.-Loupist genau das Gegenteil ist der Fall. Wir haben hier relativ viel Regen um den Pic herum und der Wind weht gerne kalt. Zusammen mit den richtigen Rebsorten und dem biodynamischen Anbau ergibt das sogar eher sehr feine Weine, die mehr an die nödliche Rhône erinnern als an das Châteauneuf zum Beispiel.“
Zum Beweis schenkt sie etwas von ihren raren Weißweinen ein. Wir sind verblüfft. Das hat erstaunlich viel Säure und wirkt eher wie ein Hermitage blanc als wie das, was wir als südliches Vorurteil im Kopf haben. „Das sind alles alte Rebsorten, die hier heimisch sind. Grenache blanc, Grenache gris und Macabeo können auch in heißen Sommern feine Weine ergeben. So stellen wir uns den Weißwein des Südens vor, er hat die Kraft und die Frucht, die Kräuter der Garrigue und das Herz vom Kalkboden, auf dem er wächst, er ist aber kein Stück schwer. Wir probieren den L'Olivette, der auf einer Parzelle wächst, auf der ganz früher einmal Olivenbäume standen. „Das war früher Standard hier,“ meint Françoise, „die Menschen hatten Oliven, Reben, Äcker, wo der Boden etwas weniger steinig war, und Schafe, Ziegen, Hühner. Halt alles, was ging.“ Was für uns heute pittoresk und idyllisch klingt, war für die Menschen damit pure Überlebensstrategie. Man versuchte, nicht nur auf eine Ertragsweise zu setzen und so viel wie möglich für den eigenen Bedarf selber zu erzeugen. Im alten Olivenhain stehen jetzt Grenache, Syrah und Cinsault. „Das ist sicherlich unser südlichster Wein“, meint Françoise, dabei ist auch er von einer fast burgundisch anmutenden Eleganz gekennzeichnet. Was ihn auch extrem süffig macht. „Un vin de soif“, nennt Françoise das. Wir versuchen „geringer Trinkwiderstand“ ins Französische zu übersetzen, aber am Schmatzen erkennt Françoise schon, was wir meinen.
Wir gehen in den Keller zum Fass mit dem Simon. „Wie kommen die Namen Simon und Manon zustande?“, fragt Noreen. „Das sind die Vornamen meines Sohnes und meiner Tochter“,erzählt Françoise, „c´est tout, pas de secret.“ Wir fragen nach Ausbau, nach den Reben, nach dem Terroir, auf alles gibt Françoise beiläufig freundlich Antwort und immer hört es sich an, als wäre das alles ganz einfach und eigentlich könnte das jeder machen, „pas de secret“. Wenn wir wirklich große Winzer besuchen, hören wir das häufig: Alles ganz einfach, es gibt keine Geheimnisse, da fragen wir uns immer wieder, warum es dann so viele langweilige, uniforme, ja sogar schlechte, groteske Weine gibt und warum wir hier auf eine permanent lächelnde Frau treffen, die einige der besten Weine des Südens macht und uns erzählt, großer Wein sei kein Geheimnis. Im Keller sagt sie das ganz leise, so als könnte sie den Wein, der da in den Fässern heranreift, mit lauten Gesprächen stören, und jetzt dämmert uns, dass es vielleicht doch ein Geheimnis gibt. Eine Art geheimer Interaktion zwischen Winzer und Wein.
Als sie an den verschiedenen Fässern probiert, sagt sie: „Die Fässer sind wie Kinder, eigentlich ist in allen derselbe Wein, aber sie entwickeln sich doch ganz unterschiedlich. Man muss immer wieder nach ihnen schauen, aber viel beeinflussen kann man dann doch nicht mehr.“ Es ist dieses Gefühl, dass auch Christophe in den Weinbergen hat, dass minimale Interventionen, kleinste Drehungen anden richtigen Stellschrauben die Natur so beeinflussen können, dass aus einem guten Grundstoffein großer Wein entsteht. Auf Clos Marie, so viel ist uns klar, beherrscht man diese Kunst, die vielleicht deshalb wirklich kein Geheimnis ist, weil man sie nicht weitergeben, weitererzählen kann, man muss sie sich aneignen im Einklang mit den Reben und dem Wein. Ein steter Prozess, ein Leben mit und für den Wein, das Ruhe und Gelassenheit gibt und einen im Keller automatisch leiser sprechen lässt, wie in einer Kathedrale, nur mit viel mehr Fröhlichkeit.
Wir verkosten noch den Glorieuses,einen Wein, der zugeteilt wird wie ein großer Burgunder und der uns sowohl fasziniert als auch ein wenig ratlos zurücklässt. Vielleicht müssen wir doch unsere Urteile über die eher einfachen, guten Trinkweine des Südens schleunigst revidieren. Nach dem Besuch dreier Weingüter schon. Wir haben gelernt: Großer Wein muss nicht teuer sein, der Süden ist eben auch Eleganz und Finesse, individuell und trotzdem allgemein verständlich, traditionell und höchst innovativ und das Wichtigste ist, dass es selbst bei den Wein-Ikonen des Südens keine Geheimnisse gibt. Pas de secret, dafür viel Gelassenheit und noch mehr Freundlichkeit, sowohl in den Weinen als auch bei deren Erzeugern.
Stilistik: komplexe, vielschichtige Weine mit großer Lagerfähigkeit
Terroir: Lehm, Kalk und Kalkgeröll
Besonderheiten:biodynamischer Anbau seit einigen Jahren, Zertifizierung erfolgt mit dem Jahrgang 2013
Der Begriff Wein-Ikone wird ja geradezu inflationär gebraucht. Alles, was irgendwann einmal in irgendeiner Zeitung erwähnt worden ist oder bei Herrn Parker mal ordentlich Punkte eingefahren...
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Der Begriff Wein-Ikone wird ja geradezu inflationär gebraucht. Alles, was irgendwann einmal in irgendeiner Zeitung erwähnt worden ist oder bei Herrn Parker mal ordentlich Punkte eingefahren hat, alles, was irgendein Sommelier in einem Top-Restaurant seinen Gästen mal empfohlen hat, wird in Werbeprospekten schnell als Kult-Weingut oder Wein-Ikone bezeichnet.
Dabei hat das Languedoc ein Problem und ein Glück zugleich: Eigentlich hat es keine Wein-Ikonen. Es gibt zwar Weingüter, die ihre Weine zuteilen müssen, aber es gibt eigentlich keine Weingüter, mit denen Weinkenner vor weniger wissenden Weinfreunden mit Bestimmtheit angeben können
Languedoc und Roussillon sind Weinregionen für Eingeweihte mit Weinen für jedermann. Eigentlich eine sensationelle Kombination für alle, die Weine entdecken und nicht Etiketten trinken möchten.
In der Region selber sieht das etwas anders aus. Hier, wo jeder stolz ist auf seine Weine, auf die lokalen Produkte, auf seine Herkunft und auf den Süden, hier gibt es auch Weingüter, deren Namen für alle Languedociens den Klang haben wie ein Romanée-Conti nördlich der Cevennen. „Ah, ihr wart bei Clos Marie ...“, sagte man überall, wo wir noch hinkamen und schaute uns etwas neidisch bewundernd an.
Es ist bezeichnend für das Languedoc, dass wir eigentlich bei keinem „alten“ Weingut waren, keinem, das auf Jahrhunderte Tradition zurückblicken könnte und dessen Weine schon am Hofe einer der vielen Louis auf dem französischen Thron genossen wurden. Christophe Peyrus und Françoise Julien sind, in diesen Dimensionen gedacht, eigentlich Newcomer. Mitte der 90er haben sie die ersten Weine unter dem Namen Clos Marie herausgebracht, anstatt die Trauben bei der örtlichen Genossenschaft abzuliefern. Erstaunlich ist auch, dass sie in den 20 Jahren nicht versucht haben, ihr Weingut, das gerade einmal 20 Hektar hat, zu vergrößern.
Der Ehrgeiz von Christophe und Françoise richtet sich weniger nach außen, sondern nach innen. Ihnen ist die Qualität wichtiger als die Quantität. Sicherlich könnte man auch bei 40 Hektar große Weine machen, aber es geht den beiden darum, individuelle Weine zu erzeugen, ihre Weine, und daher machen sie auch fast alles selber. Das schränkt die Größe von alleine ein. Sie waren auch eines der ersten Weingüter, die den biodynamischen Weinbau in der Region eingeführt haben, alles nur, um dem Wein des Pic St.-Loup mehr Typizität zu verleihen.
Jetzt stehen wir also vor dem unscheinbaren Gebäude mitten in Lauret und klingeln am Gartentor. Es ist fünf nach elf, fünf Minuten zu spät, Noreen ist schon etwas nervös. Es dauert etwas, dann bellt ein Hund, es dauert noch etwas und Françoise kommt heraus, schaut auf die Uhr, „Ah,les Allemands …“, sie schüttelt den Kopf, „ich habe noch gar nicht mit euch gerechnet. Immer so pünktlich, tz, tz, tz.“ Fünf Minuten später sitzen wir schon im kleinen, sehr gemütlichen Verkostungsraum. „Die Leute denken immer, die Weine des Südens wären schwer und fett“, erzählt Françoise lachend, „wir finden, hier am Pic St.-Loupist genau das Gegenteil ist der Fall. Wir haben hier relativ viel Regen um den Pic herum und der Wind weht gerne kalt. Zusammen mit den richtigen Rebsorten und dem biodynamischen Anbau ergibt das sogar eher sehr feine Weine, die mehr an die nödliche Rhône erinnern als an das Châteauneuf zum Beispiel.“
Zum Beweis schenkt sie etwas von ihren raren Weißweinen ein. Wir sind verblüfft. Das hat erstaunlich viel Säure und wirkt eher wie ein Hermitage blanc als wie das, was wir als südliches Vorurteil im Kopf haben. „Das sind alles alte Rebsorten, die hier heimisch sind. Grenache blanc, Grenache gris und Macabeo können auch in heißen Sommern feine Weine ergeben. So stellen wir uns den Weißwein des Südens vor, er hat die Kraft und die Frucht, die Kräuter der Garrigue und das Herz vom Kalkboden, auf dem er wächst, er ist aber kein Stück schwer. Wir probieren den L'Olivette, der auf einer Parzelle wächst, auf der ganz früher einmal Olivenbäume standen. „Das war früher Standard hier,“ meint Françoise, „die Menschen hatten Oliven, Reben, Äcker, wo der Boden etwas weniger steinig war, und Schafe, Ziegen, Hühner. Halt alles, was ging.“ Was für uns heute pittoresk und idyllisch klingt, war für die Menschen damit pure Überlebensstrategie. Man versuchte, nicht nur auf eine Ertragsweise zu setzen und so viel wie möglich für den eigenen Bedarf selber zu erzeugen. Im alten Olivenhain stehen jetzt Grenache, Syrah und Cinsault. „Das ist sicherlich unser südlichster Wein“, meint Françoise, dabei ist auch er von einer fast burgundisch anmutenden Eleganz gekennzeichnet. Was ihn auch extrem süffig macht. „Un vin de soif“, nennt Françoise das. Wir versuchen „geringer Trinkwiderstand“ ins Französische zu übersetzen, aber am Schmatzen erkennt Françoise schon, was wir meinen.
Wir gehen in den Keller zum Fass mit dem Simon. „Wie kommen die Namen Simon und Manon zustande?“, fragt Noreen. „Das sind die Vornamen meines Sohnes und meiner Tochter“,erzählt Françoise, „c´est tout, pas de secret.“ Wir fragen nach Ausbau, nach den Reben, nach dem Terroir, auf alles gibt Françoise beiläufig freundlich Antwort und immer hört es sich an, als wäre das alles ganz einfach und eigentlich könnte das jeder machen, „pas de secret“. Wenn wir wirklich große Winzer besuchen, hören wir das häufig: Alles ganz einfach, es gibt keine Geheimnisse, da fragen wir uns immer wieder, warum es dann so viele langweilige, uniforme, ja sogar schlechte, groteske Weine gibt und warum wir hier auf eine permanent lächelnde Frau treffen, die einige der besten Weine des Südens macht und uns erzählt, großer Wein sei kein Geheimnis. Im Keller sagt sie das ganz leise, so als könnte sie den Wein, der da in den Fässern heranreift, mit lauten Gesprächen stören, und jetzt dämmert uns, dass es vielleicht doch ein Geheimnis gibt. Eine Art geheimer Interaktion zwischen Winzer und Wein.
Als sie an den verschiedenen Fässern probiert, sagt sie: „Die Fässer sind wie Kinder, eigentlich ist in allen derselbe Wein, aber sie entwickeln sich doch ganz unterschiedlich. Man muss immer wieder nach ihnen schauen, aber viel beeinflussen kann man dann doch nicht mehr.“ Es ist dieses Gefühl, dass auch Christophe in den Weinbergen hat, dass minimale Interventionen, kleinste Drehungen anden richtigen Stellschrauben die Natur so beeinflussen können, dass aus einem guten Grundstoffein großer Wein entsteht. Auf Clos Marie, so viel ist uns klar, beherrscht man diese Kunst, die vielleicht deshalb wirklich kein Geheimnis ist, weil man sie nicht weitergeben, weitererzählen kann, man muss sie sich aneignen im Einklang mit den Reben und dem Wein. Ein steter Prozess, ein Leben mit und für den Wein, das Ruhe und Gelassenheit gibt und einen im Keller automatisch leiser sprechen lässt, wie in einer Kathedrale, nur mit viel mehr Fröhlichkeit.
Wir verkosten noch den Glorieuses,einen Wein, der zugeteilt wird wie ein großer Burgunder und der uns sowohl fasziniert als auch ein wenig ratlos zurücklässt. Vielleicht müssen wir doch unsere Urteile über die eher einfachen, guten Trinkweine des Südens schleunigst revidieren. Nach dem Besuch dreier Weingüter schon. Wir haben gelernt: Großer Wein muss nicht teuer sein, der Süden ist eben auch Eleganz und Finesse, individuell und trotzdem allgemein verständlich, traditionell und höchst innovativ und das Wichtigste ist, dass es selbst bei den Wein-Ikonen des Südens keine Geheimnisse gibt. Pas de secret, dafür viel Gelassenheit und noch mehr Freundlichkeit, sowohl in den Weinen als auch bei deren Erzeugern.